069 96 861 976 info@kanzlei-haenseler.de

Verkehrszivilrecht

Meinen ersten Verkehrsunfall hatte ich mit 18 Jahren, also lange vor meiner juristischen Beschäftigung mit diesem Rechtsgebiet.

Ich hatte hinter einem Fahrzeug an der Kreuzung angehalten, als der Fahrer vor mir plötzlich den Rückwärtsgang einlegte und zügig zurücksetzte. Noch bevor ich irgendwie reagieren konnte, kollidiere er bereits mit meiner Fahrzeugfront.

Es stellte sich heraus, dass der Fahrer auf dem Bürgersteig einen Bekannten gesehen hatte und zu diesem zurücksetzen wollte.

Mein Fahrzeugschaden wurde seinerzeit vollständig durch den gegnerischen Versicherer reguliert. Wieviel Glück ich damals hatte, ist mir erst viele Jahre später bewußt geworden. Mein damaliger Unfallgegner hat gegenüber seiner Versicherung den Unfallhergang wahrheitsgemäß geschildert. Das ist leider nicht immer so, wie ich durch meine anwaltliche Tätigkeit auf diesem Rechtsgebiet lernen musste.

Hätte mein damaliger Unfallgegner nicht die Wahrheit gesagt, sondern behauptet, ich sei ihm aufgefahren, dann hätte der gegnerische Versicherer die Haftung für meinen Schaden mit der Begründung abgelehnt, ich sei aufgefahren und der Auffahrende haftet eben in der Regel allein. Zudem hätte der Unfallgegner auf diese Weise selbst gute Chancen gehabt, den eigenen Schaden über meine Fahrzeugversicherung bezahlt zu bekommen.

Ich hatte weder einen Zeugen noch hatte ich mir vom Unfallgegner den Unfallhergang schriftlich bestätigen lassen. Erst recht war keine polizeiliche Unfallaufnahme erfolgt.

Ob Sie Ihre Schadensersatzansprüche erfolgreich geltend machen können, hängt entscheidend davon ab, dass Sie unmittelbar nach dem Unfall einen kühlen Kopf bewahren und möglichst viele Beweismittel gesammelt haben, um den Unfallhergang zweifelsfrei beweisen zu können. Verlassen Sie sich bitte nicht darauf, dass der Unfallgegner schon bei der Wahrheit bleiben wird. Viele Menschen geben ungerne zu, dass sie keine perfekten Autofahrer sind. Da wird dann der eigene Fahrfehler gegenüber dem eigenen Versicherer relativiert oder gleich ganz weggeredet. Oder man möchte einfach nur die Hochstufung in der Fahrzeugversicherung vermeiden oder es droht Ärger mit dem Chef, wenn man mit dem Firmenfahrzeug einen Unfall verschuldet hat.

Verlassen Sie sich daher nicht auf die Redlichkeit Ihres Unfallgegners, sondern handeln Sie selbst zur Sicherung Ihrer Ansprüche.

Gibt es Zeugen? Steht jemand am Fahrbahnrand und beobachtet die Situation? Seien Sie nicht schüchtern und gehen Sie hin. Fragen Sie die Person, ob sie den Unfall gesehen hat und falls ja, lassen Sie sich Namen und Anschrift des Zeugen geben. Bitte notieren Sie nicht nur die Telefonnummer, sondern die vollständige Anschrift des Zeugen. Nur so ist sichergestellt, dass der Zeuge auch in Zukunft sicher erreichbar ist.

 

PDF-Datei
Zentralruf Europäischer Unfallbericht

Füllen Sie zusammen mit Ihrem Unfallgegner einen Unfallbericht aus. Dafür gibt es spezielle Formulare, den europäischen Unfallbericht, den ich Ihnen zum Herunterladen und Ausdrucken bereitstelle.

Es nutzt Ihnen relativ wenig, wenn Ihr Unfallgegner Ihnen schriftlich bestätigt, den Unfall verschuldet zu haben. Wer den Unfall verschuldet hat, ist eine juristische Bewertung und die obliegt dem Versicherer und nicht Ihrem Unfallgegner. Das Schuldbekenntnis Ihres Unfallgegners bindet dessen Versicherer daher nicht. Je nachdem, was Ihr Unfallgegner zum Unfallhergang erzählt, kann der Versicherer auch zu dem Schluss kommen, dass Ihr Unfallgegner juristisch jedenfalls den Unfall nicht verschuldet hat.

Der Vorteil des europäischen Unfallberichts ist, dass er kein Schuldbekenntnis ist, sondern eine Schilderung des Unfallhergangs beinhaltet. Beide Unfallbeteiligten füllen den Unfallbericht gemeinsam aus und schildern durch Ankreuzen vorformulierter Angaben den Unfallhergang. Ergänzt wird dies durch eine Handskizze der Unfallsituation, der man also die Fahrzeugpositionen zueinander entnehmen kann.

Hätte ich seinerzeit mit meinem Unfallgegner einen solchen europäischen Unfallbericht ausgefüllt, dann hätte mein Unfallgegner angekreuzt, dass er rückwärts gefahren ist (Punkt 14). Ich hätte Punkt 3 angekreuzt (hielt an).

Er hätte somit im Nachhinein nicht mehr behaupten können, dass ich aufgefahren sei und er gestanden hätte.

Wenn Sie keinen europäischen Unfallbericht zur Hand haben, dann lassen Sie sich den Unfallhergang vom Unfallgegner kurz schriftlich bestätigen. In meinem Beispiel hätte ich mir vom Unfallgegner bestätigen lassen, dass er rückwärts gefahren ist und mit der Front meines hinter ihm stehenden Fahrzeugs kollidiert ist.

Wurde jemand bei dem Unfall verletzt? Dann können Sie auch die Polizei rufen und den Unfall von dieser aufnehmen lassen. Selbst wenn Ihr Unfallgegner schon gegenüber der Polizei falsche Angaben zum Unfallhergang macht ist es oftmals so, dass die Polizei aufgrund der Endstellung der Fahrzeuge und der Örtlichkeiten sowie der Vernehmung von Zeugen den wahren Unfallhergang ermittelt. Dies ist natürlich bei der späteren Abwicklung mit dem Versicherer sehr hilfreich.

Leider kommt die Polizei heutzutage nicht mehr in jedem Fall. Bei reinen Blechschäden kommt sie in der Regel nicht.

Sie muß aber kommen, wenn der Verdacht einer Straftat besteht. Wenn also jemand bei dem Unfall verletzt wurde, steht eine fahrlässige Körperverletzung im Raum, sprich eine Straftat, so dass die Polizei den Unfall aufnehmen muss. Denn um Straftaten muss sich die Polizei kümmern. Dafür ist sie da. Fahrlässige Sachbeschädigung ist keine Straftat. Daher muss die Polizei bei reinen Blechschäden nicht kommen.

Will Ihr Unfallgegner Ihnen nicht seinen Namen und Anschrift geben? Dazu ist er verpflichtet. Wenn er ohne dieser Verpflichtung nachzukommen die Unfallstelle verlassen will, dann steht eine Unfallflucht, und damit eine Straftat im Raum. Auch dies sollte die Polizei motivieren, zu erscheinen und den Unfall aufzunehmen.

Lassen Sie sich auf jeden Fall die Ausweispapiere des Unfallgegners geben und fotografieren Sie Vorder- und Rückseite des Ausweises, denn auf der Vorderseite steht nur der Name und nicht die Anschrift. Finden Sie mal „Michael Müller“, wenn Sie von ihm keine Anschrift haben.

Vertrauen Sie nicht darauf, dass es Herr Mustermann ist, sondern lassen sie sich Ausweisdokumente gegen, ansonsten ergeht es Ihnen wie einigen Gastwirten in der Corona-Pademie, die Donald Duck und Paulchen Panther bewirtet haben……

Ist das gegnerische Fahrzeug im Ausland zugelassen? Hat Ihr Unfallgegner die grüne Versicherungskarte dabei, die für diesen Zeitraum gültig ist? Lassen Sie sich diese unbedingt geben. Sollte Ihr Unfallgegner diese nicht dabei haben, dann bestehen Sie auf einer polizeilichen Unfallaufnahme. Sie müssen in diesem Fall unbedingt dokumentieren, dass das ausländische Fahrzeug tatsächlich an dem von Ihnen behaupteten Unfall beteiligt war. Ohne grüne Versicherungskarte oder pol. Unfallaufnahme gelingt Ihnen dies nur sehr schwer. Die ausländischen Versicherer bestreiten regelmäßig das Unfallereignis bzw. eine Beteiligung des bei Ihnen versicherten Fahrzeugs.

Machen Sie grundsätzlich Fotos von den beteiligten Fahrzeugen, solange sich diese noch in der Unfallendstellung befinden, also bevor Sie die Fahrzeuge zur Seite fahren, um den Verkehr nicht zu behindern.

Selbst wenn der Unfallgegner den Unfallhergang nicht schriftlich bestätigen will, lässt sich oftmals über die Endstellung der Fahrzeuge durch einen unfallanalytischen Sachverständigen ermitteln, wie die Fahrzeuge in diese Position gelangt sind, so dass sich der Unfallhergang rekonstruieren läßt. Ohne die Fotos hätte der unfallanalytische Sachverständige lediglich die Beschädigungen an beiden Fahrzeugen, aus denen er den Unfallhergang rekonstruieren müsste und dies ist manchmal nicht möglich, so dass Sie den Unfallhergang dann nicht mehr beweisen könnten.

Beachten Sie die oben angesprochenen Punkte, dann legen Sie die Grundlage für eine erfolgreiche Schadensregulierung. Leider führt das immer noch nicht automatisch zu einer vollständigen Regulierung Ihrer Schadensersatzansprüche. Die Versicherer kürzen selbst bei voller Haftung heutzutage fast jede Schadensposition, beispielsweise Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten, Abschleppkosten, Mietwagenkosten usw.

Die Begründung für diese Kürzungen ist zumeist, dass es dieselbe Leistung anderswo angeblich günstiger gegeben hätte oder bestimmte Arbeiten gar nicht erforderlich gewesen seien. In der Regel trifft dieses Argument aber nicht zu, da Sie beispielsweise an der Unfallstelle keine Preisvergleiche bzgl. der Abschleppkosten vornehmen können oder als technischer Laie auch gar nicht beurteilen können, ob bestimmte Reparaturarbeiten erforderlich sind oder nicht. Auch wenn Sie beispielsweise unmittelbar nach dem Unfall einen Mietwagen benötigen, kann der Versicherer sie nicht ohne weiteres auf die Einholung von Vergleichsangeboten verweisen. Zudem trifft es auch nicht immer zu, dass andere Anbieter tatsächlich günstiger sind. So stellt sich oftmals heraus, dass die Sachverständigenrechnung keinesfalls überhöht ist und auch die Mietwagenkosten sich im Rahmen des Ortsüblichen bewegen.

Tritt man den Kürzungen des Versicherers allerdings nicht entgegen, so verliert man als Geschädigter unter Umständen mehrere 100,- €.

Daher sollten Sie selbst bei vermeintlich geklärter Haftungsfrage die Schadensabwicklung einem Rechtsanwalt übertragen, der die aktuelle Rechtsprechung auf diesem Rechtsgebiet kennt und weiß, welche Kürzungen der Geschädigte hinnehmen muss und welche eben gerade nicht.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt, Urteil vom 02. Dezember 2014 – 22 U 171/13 –, Rn. 27, juris) ist sogar der Auffassung, dass die Nichteinschaltung eines Rechtsanwalts geradezu fahrlässig ist:

„Auch bei einfachen Verkehrsunfallsachen ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts von vornherein als erforderlich anzusehen. Gerade die immer unüberschaubarere Entwicklung der Schadenspositionen und der Rechtsprechung zu den Mietwagenkosten, Stundenverrechnungssätzen u.ä. lässt es geradezu als fahrlässig erscheinen, einen Schaden ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts abzuwickeln. „

Die Gerichte kennen seit vielen Jahren die Problematik, dass der durchschnittliche Geschädigte, der nicht regelmäßig mit Unfallabwicklungen zu tun hat, nicht auf Augenhöhe mit dem gegnerischen Versicherer über seine Schadensersatzansprüche verhandeln kann. Daher sind die Gerichte sich einig, dass Sie als Geschädigter sich zur Abwicklung Ihres Verkehrsunfalls eines Rechtsanwalts bedienen dürfen, der für Sie Ihre Schadensersatzansprüche beim gegnerischen Versicherer durchsetzt. Nur so ist gewährleistet, dass Sie über ihren Rechtsanwalt auf Augenhöhe mit dem gegnerischen Versicherer verhandeln können und möglichst vollständig entschädigt werden. Daher muss der gegnerische Versicherer bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall auch die Kosten des mit der Unfallabwicklung beauftragten Rechtsanwalts übernehmen.